Digitalpfeifenorgeln

Zu diesem Thema gibt es leider immer noch weit verbreitete Vorurteile und generelle Ablehnung, zumal in Kirchenvorstandskreisen. Das ist bedauerlich, denn zu Zeiten, wo sicherlich bei niemandem das Geld locker sitzen dürfte, sollte eine Symbiose aus einem gut klingenden Instrument bei gleichzeitig ökonomisch vertretbarem finanziellen Aufwand, einschl. späterer Wartungskosten, doch möglich sein. Und es IST möglich!  🙂

Schuld an den Vorurteilen sind sehr vermutlich Erfahrungen aus den 70er Jahren, als „elektronische Orgeln“ auch für den sakralen Gebrauch aufkamen. Zunächst dachte man gleich an eine typische Hammond-Orgel o.ä. und brachte solche Instrumente für die Kirche allein mit der U-Musik in Verbindung. Das war natürlich so nicht zutreffend. Dennoch klangen die ersten Orgeln, die auf den Markt kamen, nur weit entfernt wie eine richtige, pneumatische Pfeifenorgel.

Diese Zeiten sind allerdings längst vorbei. Es ging in rasenden Schritten voran. Heute können Sie ein Instrument haben, das in vollständig digitalisierter Technik (oder sogar als Hybridorgel ausgelegt, also zusätzlich mit physikalisch betriebenen Orgelpfeifen) von einer „echten“ Originalpfeifenorgel nicht mehr zu unterscheiden ist. Wie auch – denn es handelt sich dabei um gesampelte, also direkt per Digitalaufnahme abgenommene Pfeifenorgeln, Ton für Ton, Register für Register, einschließlich der umgebenden Raumakustik, in dem Raum die jeweilige Musterorgel steht. Wenn Sie eine Orgel-CD auflegen und sich anhören, können Sie auch nicht mehr unterscheiden, ob Sie jetzt diese Orgel dort live in der Kirche hören oder eben „nur“ in Ihrem Wohnzimmer über die Stereoanlage bzw. einen Kopfhörer. Es hängt dabei aber nicht zuletzt davon ab, wie gut Ihre Anlage und der Kopfhörer sind – da sind Qualität und Preise nach oben natürlich offen, aber da hört man auch den Unterschied. Wie so oft bringt es nichts, am genau falschen Ende sparen zu wollen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ein Ton- und Bilddokument sagt immer mehr als tausend Worte. Deshalb habe ich Ihnen im Folgenden einmal einige Videolinks zusammengestellt, die sehr gut dokumentieren, was ich meine. Es ist wie in der Gourmet-Küche: Probieren Sie erst einmal ein besonderes Gericht eines Sternekochs, dann werden auch Sie überzeugt sein, wie es wirklich schmeckt. Musik und Kochen haben übrigens mehr Gemeinsamkeiten, als man vielleicht auf Anhieb denken könnte – gerade auch im Bereich des Improvisierens. In den Nuancen liegt die feine Würze, so auch in den Registern. Nur nicht immer volle Pulle und Bleifuß fahren!  😉

Grundsätzlich seien noch drei Abgrenzungen erwähnt:

  1. Digital-Komplettorgel I
    d.h. Einschalten und – wie eine normale Orgel auch – durch Einstellen der Register sofort losspielen können. Um weitere Technik muß sich hierbei nicht gekümmert werden, auch die Lautstärken sollten dem jeweiligen Registertyp und der umgebenden Raumakustik bereits voreingestellt angepaßt sein (natürlich jederzeit einstellbar abzuändern, um eine entsprechende Balance zwischen den verschiedenen Werken zu erreichen).
    Die Tonerzeugung erfolgt auf Grund von Samplesets meist verschiedener Orgeln, also ein ausgewogener Dispositionsmix je nach Herstellermarke und Modelltyp.
  2. Digital-Komplettorgel II
    Spieltechnik und Bedienung w.o. Typ I, lediglich werden hier die Klangfarben nicht gesampelt, sondern digital modelliert, d.h. auf digitalem Wege dem echten Pfeifenklang angenähert erzeugt. Man hat also die Klangkurven, so wie sie ein Oszilloskop grafisch darstellen würde, technisch weitgehend naturgetreu nachgebildet, einschl. Ein- und Abschwingverhalten der Pfeifen, Anblas- und Windgeräuschen etc. Diese Parameter können je nach Geschmack sogar selber noch  durch Anhebung oder Abschwächung verändert werden, so daß Sie sich Ihre Disposition ganz individuell anpassen und praktisch „selber bauen“ können, ohnr dafür Hardware bzw. Technik in die Hand nehmen zu müssen.
  3. Softwaresampling-Orgel
    Repräsentativ beispielhaft sei hier die Software HAUPTWERK als Plattform zu nennen. Für diese Plattform gibt es eine ganze Reihe Softwarehersteller digitaler Pfeifenorgelsets, die echte Orgeln für diese Systemumgebung eingespielt haben. Bei dieser Variante benötigt man einen MIDI-fähigen Spieltisch von 1-4 (sollte reichen!) Manualen und ein ebenso frei aufstellbares Standard-MIDI-Kirchenorgelpedal von 30 oder sogar 32 Pedaltasten. Die Ausführung, ob geschwungen, geschweift oder parallel, spielt dabei keine Rolle. Sie können alles bekommen, was Sie wollen. Diese ganze Anordnung wird dann an einen schnellen PC mit empfohlen 16 GB (oder mehr) RAM, einer hochwertigen zusätzlichen Soundkarte und einer schnellen SSD-Festplatte angeschlossen, auf dem diese Software (HAUPTWERK als Grundplattform + die zu ladende Wunschorgel) dann läuft. Etwas Ladezeit beim Erstaufruf des Programms muß man schon hinnehmen (einschalten und gleich loslegen geht also nicht). Passend zu dieser Plattform gibt es mittlerweile sehr viele historische Orgeln (1:1 digital abgenommen) zu kaufen, bekannte und unbekannte Modelle, von kleinen bis großen Silbermannorgeln, Kathedralorgeln in Frankreich oder die große Basilika-Orgel in Esztergom, Ungarn – um nur ganz wenige zu nennen. Auf diese Weise können Sie sich diese Orgeln wirklich zu sich nach Hause ins Wohnzimmer holen und sie so spielen, als würden Sie vor Ort an dem jeweiligen Instrument sitzen. Diese Behauptung klingt vielleicht weit hergeholt, aber wie gesagt (s.o.), probieren Sie doch erstmal und spielen und hören Sie selbst, und dann sehen wir weiter … 😉  Selbst die originäre Raumaukustik vor Ort wurde mit abgebildet als auch die Umschaltgeräusche von Registerzügen und beim Wechseln in andere Registerkombinationen. Perfekter geht es kaum. Nur die ggf. kalte Kirche hat man nicht mitsimuliert …

Nachfolgende Videos haben nicht zur Absicht, Werbung für eine bestimmte Marke und/oder den Vertrieb zu machen – wenngleich diese natürlich gerne zu empfehlen sind -, sondern sollen in erster Linie den Zweck haben, zu demonstrieren, was digitale Pfeifenorgeln heute können und wo sie auch bereits in Kirchenräumen installiert sind und was ihre Betreiber dazu sagen, wie sie sie bewerten. Gestandenen Organisten und Kantoren sollte man da ein repräsentatives Fachurteil schon abnehmen dürfen. Endlich lernt man sukzessive dazu und rückt von eingestaubten Vorurteilen ab!  🙂

 

 

Kisselbach Kirchenorgeln – Unternehmenspräsentation          [2:27 Min.]

 

Installation einer Johannus Ecclesia in Lippertal      [5:46 Min.]

 

Iris Rieg spielt: ‚O Mensch, bewein dein Sünde groß‘ von J.S. Bach    [4:11 Min.]

 

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Demo-Videos von Digitalorgeln auf Softwarebasis HAUPTWERK

Hauptwerk J.S.Bach Praeludium und Fuge e-moll     [4:39 Min.]

 

Praeludium in C by J.C. Kellner | Hauptwerk Virtual Pipe Organ     [3:27 Min.]

 

Messiaen: Apparition de l’Eglise eternelle      [9:19 Min.]      (Hauptwerk)

 

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Demo-Videos von Digitalorgeln vornehmlich auf der Basis des
Physical Modelling Prinzips (kein Sampling!)

(informatives, anschaulich ausgeführtes 3-teiliges Video, das die vielfältigen Möglichkeiten der individuellen  Intonation der Disposition bei diesem Verfahren der Tonerzeugung zeigt;
durch diese Technologie sind noch realistischere Ergebnisse erzielbar als durch Sampling und Looping; man kann eine Pfeife frei modellieren, den Luftschlitz virtuell verändern etc.)

Physis Technology – Behind the Scenes

(Technologie der physikalischen Modellierung, hier am Beispiel der Firma VISCOUNT)

Teil 1/3
http://www.youtube.com/watch?v=Fq9vpeahQlw    [5 Min.]

Teil 2/3
http://www.youtube.com/watch?v=88-ALYbFzCs    [5:37 Min.]

Teil 3/3
http://www.youtube.com/watch?v=2i-xuvFTmcs    [6:28 Min.]

 

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