Ist es eigentlich egal, in welcher Tonart ein Lied geschrieben ist? Oder kann man es kurzerhand in eine andere Tonart transponieren? Wie, wenn man etwa auch das Tongeschlecht mit verändert, so daß eine Mollmelodie in Dur erklingt und umgekehrt – darf man das überhaupt oder wäre das Stilbruch?
Zur Übung und Vertiefung der Harmonielehre kann man das schonmal machen, für sich zu Hause zumindest; man muß es ja nicht unbedingt gleich öffentlich aufführen. Betrachten Sie mal, wie dann so ein Lied subjektiv wirkt, wie sich das anfühlt.
Gerade das Danke-Lied (EG 334) eignet sich ideal, um rein zur Übung jede Strophe einen Halbtonschritt höher zu transponieren. So kommt man durch wenigstens 6 Tonarten hindurch, da das Lied ja insgesamt 6 Strophen hat. Beginnend in G-Dur, so wie es gesetzt ist, landet man dann über As-Dur, A-Dur, B-Dur, H-Dur schließlich in C-Dur. Dann probieren Sie das Ganze mal analog in moll … es geht wie gesagt nur um die Vertiefung der Harmonielehre und deren praktische Umsetzung im transitiven Umdenken.
Tonbeispiele dazu werden folgen.
Natürlich ist es nicht einfach egal, in welcher Tonart eine Melodie oder ein ganzes Musikstück erklingt. Auch die jeweilige Instrumentenstimmung hat einen bestimmten Einfluß auf das Hörvergnügen. Außerdem hängt es auch noch rein technisch davon ab, wie groß der Melodieumfang ist, damit man nach unten wie nach oben zu den Extremwerten hin man die Melodie gesanglich noch gut umsetzen kann, ohne auf die Stimme drücken zu müssen.
Wenn J.S. Bach in seiner Matthäuspassion z.B. den Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ („Wenn ich einmal soll scheiden“) in verschiedenen Tonarten erklingen ließ und auch die Harmonisierung entsprechend passend dazu gesetzt hatte, so war das natürlich kein Zufall. Die beschaulichen Haltepunkte in dem Drama des Passionsgeschehens Christi, was jeweils durch die Choräle bewirkt werden soll, wird durch die spezifische Tonart auf eine ganz bestimmte Betrachtungsweise zum Geschehen und Seelenresonanz hin ermöglicht. Das ist allerhöchste kompositorische Kunst. Es lohnt sich, wenn man sich mit dieser Thematik einmal näher befaßt.
Testen Sie es selbst an einem Klavier oder anderen Instrument, wenn Sie ein Lied oder einen Choral mal in verschiedenen Tonlagen spielen und versuchen Sie, bewußt und konzentriert zu erspüren, was die seelische Empfindung dabei jeweils ist. Ein Parallelverweis auf die Geometrie, etwa zum Goldenen Schnitt, ist durchaus angemessen … wie alles in bestimmter kosmischer Ordnung und Harmonie miteinander verwoben ist und zusammenhängt. So erst recht auch in den musischen Schwingungen.